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Füllmengen wissenschaftlich

Gesetzliche und thermodynamische Zusammenhänge

Immer wieder lesen wir etwas über Füllmengenspitzenreiter oder über Zapfsäulen, die zu wenig CNG/Erdgas abgeben. Solche - häufig voreilig getroffenen - Aussagen sind mit Vorbehalt zu sehen und haben erst einmal keine belegbare Aussagekraft. Worauf es ankommt, ist das richtige Verständnis der gesetzlichen Rahmenbedingungen und der physikalischen oder thermodynamischen Zusammenhänge. Als Anlage erhalten Sie zwei Diagramme, mit deren Hilfe Sie speziell für Ihren Tank die maximale Füllmenge ablesen können.

Die maximale Füllmenge ist abhängig von:

1. Den gesetzlichen Vorschriften und der daraus resultierende Mengenbegrenzung

"Der maximale Druck im Tank ist begrenzt auf 200 bar bei 15 °C und die maximale Obergrenze des Druckes im Fahrzeugtank, bei der die Zapfsäule abgeschaltet wird, ist 250 bar" sind in unserem Fall die Rahmenbedingungen. Diese Bestimmung ist eine Sicherheitsvorschrift, die verhindern soll, dass der Tank überlastet wird. Um zu verstehen, welche Bedeutung die Begrenzung auf 250 bar hat, muss man sich den Effekt der Kompressionswärme vergegenwärtigen.

Die Füllmenge soll, wie gerade erwähnt, so groß sein, dass der Druck im gefüllten Tank 200 bar bei 15 °C beträgt. Wenn die Temperatur im Tank nach der Befüllung immer 15 °C betragen würde, müsste man den Tank immer auf den Enddruck von 200 bar befüllen. Diese Voraussetzung ist aber nicht gegeben, weil die Umgebungstemperatur sich verändert und - dies ist ganz wesentlich - das Gas im Tank sich während der Schnellbetankung erwärmt, in der Größenordnung von ca. 30 °C. Als Folge davon muss der Betankungsenddruck bei den typischen Umgebungstemperaturen deutlich über dem Nennwert von 200 bar liegen, der sich ja erst bei Abkühlung auf die besagte Temperatur von 15 °C einstellen soll. Die Eigenschaft der Zapfsäule, die dies gewährleistet, nennt man Temperaturkompensation und ist in Deutschland vorgeschrieben.

Nun kann bei Außentemperaturen von ca. 20 °C und höher der Effekt auftreten, dass der für eine vollständige Befüllung notwendige Enddruck über 250 bar liegt. In diesem Fall greift die Sicherheitsbegrenzung auf 250 bar. Damit wird klar, dass bei wärmeren Außentemperaturen häufig keine vollständige Befüllung mehr möglich ist. Dies ist dann keine Fehlfunktion der Zapfsäule, sondern aufgrund der Druckbegrenzung auf 250 bar physikalisch zwingend.

Eine korrekte Temperaturkompensation erkennt man daran, dass bei kälteren Temperaturen der Betankungsendruck deutlich unter 250 bar bleibt. Bei einer Außentemperatur von z.B. -10 °C darf der Füllenddruck nur bei ca. 200 bar liegen. Liegt er erheblich darüber, ist dies nicht der Beweis einer guten Betankungsleistung, sondern im Gegenteil der Ausdruck eines Mangels der Temperaturkompensation, der mit einer sicherheitstechnisch bedenklichen Überfüllung einhergeht.

2. Im wesentlichen von der Normdichte des eingefüllten Gases

Es gibt Gase mit verschiedenen Gasbeschaffenheiten, z.B. H - Gas aus Russland mit einer sehr geringen Dichte (ca. 0,73 kg/m³) aber einem sehr hohen Methangehalt (98 %) oder H - Gas aus Norwegen mit einem hohen Methan- (89 %) und Ethangehalt (6 %). Die Normdichte beträgt hier ca. 0,82kg/m³. Diese Gase zeichnen sich durch einen hohen Brennwert (Energieinhalt) zwischen 11,1 und 11,8 kWh/m³ aus. Daneben gibt es L - Gase mit einer hohen Dichte (ca. 0,83 kg/m³) dafür aber einem geringeren Brennwert (9,8-10,3kWh/m³) auf Grund des höheren Stickstoffanteils (Methan ca. 84 - 88 %, Stickstoff fast 10 %).

Tanken Sie nun an einer Tankstelle Russlandgas mit der geringen Dichte, so bekommen Sie bei ansonsten gleichen Umgebungsbedingungen weniger Masse in Ihren Tank als bei einem L - Gas mit hoher Dichte. Aufgrund des hohen Energieinhaltes des Russengases würden Sie mit Ihrem Fahrzeug aber weiter fahren können als bei der L - Gas Betankung. Die Unterschiede können in der Fahrleistung bis zu 100 km betragen. Ähnlich verhält es sich bei dem Unterschied H - Gas aus Norwegen und L - Gas. Obwohl beide Gase ähnliche Dichten aufweisen, Sie also faktisch die gleiche Masse Gas in Ihr Fahrzeug bekommen, so sind die Unterschiede in der Kilometerleistung pro Tankfüllung doch erheblich.

Nun zu den Diagrammen:

Diagramm 1:

Diagramm 2: Die Daten für Diagramm 2 wurden empirisch ermittelt! Die Diagramme sind folgendermaßen zu lesen:


 

Mit Hilfe von Diagramm 1 können Sie, wenn Sie Ihre Tankgröße kennen und die Gassorte wissen, feststellen, wie viel Gas Sie in Ihren Tank bei optimalen Bedingungen hineinbekommen.

Also:
Sie haben einen Tank mit einem Fassungsvermögen von 100 l und tanken Russlandgas. Es darf nicht mehr als 17 kg CNG/Erdgas hineingehen.

Diagramm 2 befasst sich mit der Thematik Umgebungs- und Gastemperatur: Sie tanken wieder an der gleichen Tankstelle, nur jetzt ist es sehr warm, ca. 30 °C im Sommer. Von den vormals abgelesenen 17 kg müssen Sie nun ca. 8 % abziehen und kommen jetzt nur noch auf eine Masse von 15,6 kg.
(Achtung, die Linie russ. H-Gas liegt identisch unter der Linie Verbundgas L). So können Sie jetzt an jeder Tankstelle feststellen, ob die eingefüllte Masse korrekt ist. (natürlich innerhalb von Schwankungsbreiten von ca. 1 - 2 %)

Bei den sogenannten Füllmengenspitzenreitern, wo man in einen 80-l-Tank z. B. 20 kg hineinbekommt, stimmen wahrscheinlich entweder die Druckbegrenzer oder die Temperaturkompensation nicht. Diese Tankanlagen überfüllen schlicht und ergreifend den Tank und sind nicht gesetzeskonform eingestellt. Hier besteht natürlich die Gefahr, dass Ihr Tank ständig über die Norm beansprucht wird.

Bei den Tankstellen, die angeblich zu wenig einfüllen, sind die Umgebungsparameter zu überprüfen (siehe Diagramme). Sollte auf Grund der Berechnung die eingefüllte Masse trotzdem zu klein sein, sollte der Hersteller oder der Dienstleister für Instandhaltung die Anlage überprüfen bzw. den Inhalt der Speicherbänke kontrollieren. Es könnte ja sein, dass vor Ihnen schon sechs Kunden getankt haben und der Verdichter die Speicher noch nicht wieder voll aufgefüllt hat.

Die Autoren: Dieser Beitrag wurde erarbeitet und zur Verfügung gestellt von Dipl.-Ing. Uwe Hirlehei, erdgas mobil GmbH & Co. KG und Dr. Manfred Hoppe, E.ON Ruhrgas AG (Februar 2015)