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Donnerstag 25. Januar 2024 | 09:01

Bauern geben in Italien mit Biomethan Gas!

Bild: Oliver Ristau

Für Landwirte in Italien ist Biomethan eine willkommene Einnahmequelle. Und für rund 1.000.000 Autofahrer eine Option, nachhaltiger zu tanken. Mit Milliarden Euro und der Unterstützung aus Brüssel will die Regierung in Rom die Produktion Öko-Methans bis 2026 mehr als verdoppeln.

Auf dieser Tankstelle leben die Rohstoffproduzenten gleich bei den Zapfsäulen. Es sind schwarz-weiß gefleckte Rinder, weder zu übersehen noch zu überhören. Auf dem Hof der Familie Cella bei Piacenza dreht sich alles um sie. Nicht nur, weil ihre Milch für hofeigenes Eis und Ricotta-Käse gefragt ist. Ihr Dung trägt zu 75 Prozent zur Produktion von Biogas bei. Den Rest liefern sonstige Abfallstoffe der Landwirtschaft. Die Cellas bereiten das Biogas hinter den Ställen zu Biomethan auf, das sie seit 2022 über eine eigene Tankstelle verkaufen.



„Unser Hof möchte zeigen, wie Kreislaufwirtschaft in der Landwirtschaft funktioniert“, sagt Nicoletta Cella. „Die Entscheidung haben wir dabei unter rein wirtschaftlichen Aspekten getroffen“. Dabei kam den Cellas zugute, dass Biomethan mit Betriebsstart wegen des als Folge des Ukrainekriegs gestiegenen Erdgaspreises aus dem Stand wirtschaftlich war. Für den Kraftstoff gibt es zudem ein grünes Zertifikat, das sie an andere Tankstellenbetreiber verkaufen können, die keine oder zu wenig Biokraftstoffe anbieten. Das versetzt sie in die Lage, ihr BioCNG günstiger anzubieten als herkömmliches CNG. Für Italiens Landwirte kann Biomethan so zu einer willkommenen Zusatzeinnahme werden.

Denn anders in Deutschland, wo die Erdgasmobilität auf dem Standstreifen steht, ist CNG in Italien weit verbreitet. Schätzungsweise eine Million Bestandsfahrzeuge mit Erdgasantrieb sind dort auf den Straßen unterwegs. In Deutschland sind es nur rund 100.000 Autos. Für sie stehen rund 700 Tankstellen bereit. In Italien ist die Zahl mit über 1.500 mehr als doppelt so hoch.

2023 spielte der Gasantrieb bei den Neufahrzeugen keine große Rolle. 2023 wurden in Italien laut dem Verband Federmetano nur noch knapp 2.000 Automobile mit Erdgasantrieb (= CNG) neu zugelassen. Das entsprach einer Quote von 0,1 Prozent an den Neuzulassungen. 2022 waren es noch knapp 11.000 Stück gewesen. Die absatzstärksten Modelle waren der VW Polo, der Audi A3 und der Seat Arona.

Serientechnologie vom VW-Konzern in Italien noch bestellbar
Tatsächlich bietet der Volkswagen-Konzern noch einige Modelle mit Gasmotor serienmäßig an. Das sind der der Octavia und Octavia SW von Skoda sowie der Arona von Seat. Außerdem sind aktuell auch noch der VW Golf, Polo und Golf Variant mit CNG-Motor zu bekommen. Bei den Transportern trifft das für den Daily von Iveco und den Porter von Piaggio zu. Wie lange die Hersteller die Serien noch beibehalten, wird sich zeigen. Umrüstungen spielen auch eine Rolle.

Rom fördert Biomethan mit Milliarden
Außerdem hat sich Rom im Gegensatz zu Deutschland klar zum Ausbau von Biomethan bekannt. So gab es wegen fehlender Wirtschaftlichkeit bei den jüngsten Biomethan-Ausschreibungen hierzulande kaum Gebote. Lediglich bei manchen Logistikern ist Biomethan wegen seiner besseren CO2-Bilanz gegenüber Benzin und Diesel gefragt. Deshalb gibt es auch in Deutschland vereinzelte Landwirte, die ihr Biomethan selbst herstellen. Doch das sind im Vergleich zu Italien Ausnahmen. Rom fördert mit Wohlwollen Brüssels die Produktion als Kraftstoff und zur Einspeisung ins Erdgasnetz. So stellt der Nationale Wiederaufbaufonds - zur Bekämpfung der Folgen der Coronakrise - dafür 1,7 Milliarden Euro bereit. Das Ziel: bis Ende 2026 ein zusätzliches Produktionsvolumen von 2,5 Milliarden (Mrd.) Kubikmeter (cbm) an den Markt zu bringen. Das wäre laut Italiens Bioenergieverband CIB mehr als doppelt so viel als bisher. „Die Perspektiven für den Biomethansektor sind angesichts dessen sehr positiv“, sagt Verbandsdirektor Christian Curlisi.

Biomethan hat es auch deshalb in Italien leichter, weil Erdgas dort grundsätzlich eine höhere Bedeutung beikommt. So sind Gaskraftwerke für rund die Hälfte des italienischen Stroms verantwortlich. Bis in die 1990er Jahre war Italien hinter Norwegen, UK und den Niederlanden der viertgrößte Erdgaserzeuger in Europa. Danach übernahmen Importe aus Russland, und Italien fuhr die Produktion zurück. Jetzt will das Land wieder in die Förderung in der Adria einsteigen. Außerdem in Planung: neue Pipelines, um künftig zum Beispiel mehr Gas (und Wasserstoff) aus Afrika aufzunehmen. Dazu zählt eine Leitung, die auch Österreich und Bayern versorgen könnte. Die Staatsregierung in München hat bereits Interesse signalisiert.

Für Rom zählt Biomethan zusammen mit Batterieelektrik und Wasserstoff auch zu den Optionen für eine klimafreundliche Verkehrswende. Beispiel Trento: die Stadt in Norditalien produziert aus den kommunalen Abfällen rund 60.000 Tonnen Biogas im Jahr. Einen Teil davon bereitet sie zu Biomethan auf, mit dem aktuell mehr als 80 kommunale Busse unterwegs sind.

Brummis tanken BioLNG
Das größte Interesse am Biomethan als Kraftstoff kommt von Logistikern. So hat unlängst der deutsche Discounter Lidl für seine 700 Märkte in Italien den Ausbau der Belieferung mit BioLNG-Fahrzeugen beschlossen. Für den Konzern bietet das die Option, seine Klimabilanz zu verbessern, zumindest so lange, bis batterieelektrische LKW und solche mit Wasserstoff marktreif sind. Denn die Motorentechnologie für verflüssigtes Gas ist bei den Brummis bereits etabliert. Der italienische LKW-Produzent Iveco hat mehrere solcher Motoren serienmäßig im Programm. Kein Wunder, dass Iveco zusammen mit anderen Logistikpartnern auch an einer der ersten großen BioLNG-Tankstellen im Land beteiligt ist. Die Tankstelle Wipptal steht den Mitgliedsunternehmen in Sterzing, nahe der Grenze zu Österreich, am Brenner zur Verfügung.



Das Dach der Station ziert die Skulptur einer Kuh. Das ist kein Werbegag. Denn ähnlich wie bei den Cellas aus Piacenza stammt das Biogas vom Brennerpass vor allem aus Gülle und Mist.

Autor: Für gibgas_Oliver Ristau